Elfie Semotan

Elfie Semotans über sechs Jahrzehnte währende künstlerische Praxis setzt sich aus Stillleben, Landschaftsbildern, Modestrecken und konzeptuellen Arbeiten zusammen. Einer breiten Öffentlichkeit ist sie (geboren 1941, lebt und arbeitet in Wien und Jennersdorf) für ihre Werbe- und Modefotografie bekannt. Charakteristisch für ihre fotografische Herangehensweise, unabhängig vom Genre, ist eine Überhöhung alltäglicher Beobachtungen – seien es Models mit zerrissenen Strumpfhosen, auf einem texanischen Baum hängende Plastikblumen samt Gartenschlauch oder eine unaufgeräumte Schlafecke im Atelier eines berühmten Künstlers. Alle Motive zeugen von ihrer Faszination für das Unspektakuläre. Elfie Semotans Szenen wirken meist ungezwungen, im Vordergrund stehen bestimmte Stimmungen und Authentizität; sie brechen mit traditionellen Settings und schöpfen ebenso aus dem Alltagsleben wie aus der Kunstgeschichte.

Anlässlich der Ausstellung No Feeling is Final  hat Elfie Semotan den einzigartigen Charakter der komplexen und vielschichtigen Stadt Skopje in einer neu in Auftrag gegebenen Fotoserie festgehalten. Die Künstlerin betrachtet die urbane Landschaft als eigenwilligen Pastiche, der durch die zahlreichen Re- und Dekonstruktionen der Stadt in Folge der massiven menschengemachten und natürlichen Katastrophen im Laufe der Geschichte entstanden ist. Elfie Semotan richtet ihren scharfen und gleichzeitig liebevollen Blick aber auch auf die Details, Materialien und Texturen des alltäglichen Lebens und enthüllt die Poesie, die Sinnlichkeit und den Charme, die in all der Unordnung und dem Chaos, die ebenfalls zu Skopje gehören, zu finden sind.

Ihre Bilder porträtieren die kulturelle Vielfalt Skopjes – vom osmanischen Alten Basar über den modernistischen Wiederaufbau der Stadt nach dem Erdbeben von 1963 bis hin zum kruden Versuch, Skopje im Zuge des Projekts Skopje 2014 als klassizistische Stadt wiederaufzubauen, die sie nie war. Besonderes Augenmerk gilt einer Reihe von ikonischen modernistischen Gebäuden wie jenes der Nationaloper und des Balletts, dem Bahnhof von Kenzō Tange, dem Museum der Republik Mazedonien von Mimoza Nesterova-Tomić, der ikonischen Schalterhalle des Telekommunikationszentrums (die 2013 einem ungeklärten Brand zum Opfer fiel) und natürlich dem MoCA Skopje.

Elfie Semotans einfühlsame fotografische Dokumentation ist eine ehrliche und authentische Darstellung der Stadt und ihrer komplexen politischen und architektonischen Vergangenheit, aber auch eine Hommage an die Schönheit und Vielfalt, die die städtebaulichen und kulturellen Kontexte der Stadt zu bieten haben, und nicht zuletzt an die außergewöhnliche Solidarity Collection des MoCA Skopje.

No Feeling Is Final. The Skopje Solidarity Collection – Audioguide
Kunsthalle Wien Podcast: Elfie Semotan

Interview mit Elfie Semotan

1. Welchen Eindruck hattest du von Skopje und von der Solidarity Collection des MoCA Skopje? Was fandest du an der Sammlung interessant?

Die Geschichte von Skopje habe ich gelesen und die Stadt dann schon mit etwas wissenderem Blick und mit einer bestimmten Stimmung und Disposition angeschaut, das ist bei jeder Stadt wichtig. Bei Skopje finde ich es aber besonders zentral, weil es sonst schwierig wäre, eine Erklärung zu finden für die verschiedenen Erscheinungen des Stadtbildes. Ich war sehr neugierig auf Skopje und darauf, die Spuren der 1960er- und 1970er-Jahre-Architektur, der ganz alten Architektur wie der Stadtmauer und der späteren Neubauten zu sehen. Und eben auch die Verschleierungen und Retuschen. Das macht Skopje unglaublich spannend.

Die Liste an Schenkungen an das MoCA ist beeindruckend. Ich weiß, dass auch Picasso etwas geschickt hat. Und als ich das erste Mal im Museum war, sah ich ganz alleine herumhängend ein wunderbares Calder-Mobile mit roten Metallelementen. Fantastisch!

2. Wie schaffst du eine Beziehung zwischen den Werken, die du aus der Sammlung ausgewählt hast, und deiner eigenen künstlerischen Praxis?

Skopje ist wirklich eine Ausnahme. Städte sind normalerweise nicht so vielfältig. Gegensätze sind natürlich immer sehr spannend, Skopje hat viel davon zu bieten – so viel, das zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlichen Gesinnungen entstanden ist und das sich dort gegenübersteht. Wir sind viele Stunden herumgegangen, doch Skopje ermüdet mich nicht, ich finde es manchmal grandios und manchmal richtig lustig. Es ist schön, es ist pittoresk, es ist absurd. Ein wunderbares Feld für eine Fotografin.

3. Wie siehst du die Solidarität in der heutigen Kunstwelt? Denkst du, dass noch einmal etwas Ähnliches wie die Schenkungen für das MoCA Skopje entstehen könnte?

Ich glaube, trotz allem, was nicht solidarisch in der Kunstwelt ist, trotz aller Prestigesucht und Geldgier, gibt es eine Zugehörigkeit zur Kunstwelt und eine Art Solidarität zwischen denen, die Kunst lieben, machen und sich einfach in dieser Welt wohl fühlen.

Ich bin ein sehr positiver Mensch und ich kann mir vorstellen, dass so etwas wieder klappen kann. Gerade im Moment lernen wir ja nochmals die Lektion, dass man solidarisch sein sollte und man sich auch um den Rest der Welt kümmern muss.